Korfu und die geschenkte Zeit

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Ich sitze auf der Terrasse und lausche dem Zirpen der Grillen, das momentan das einzig deutlich wahrnehmbare Geräusch darstellt…Stille…herrlich! Es gibt nichts zu tun. Wirklich nichts. Einfach SEIN. Welch ein Geschenk! Wann habe ich das zum letzten Mal empfunden? Diese grenzenlose innere Freiheit? Diese Ruhe…die gänzliche Abwesenheit von innerem Druck und Leistungsgedanken.

Es gibt nichts zu tun – außer mich um mich selbst zu kümmern. Gut zu mir zu sein. Innehalten und lauschen. Wahrnehmen. Was in mir ist und um mich. Ich beobachte eine Riesenameise, die über den Boden krabbelt mit ihren langen stelzigen Beinen. Hin und wieder wird das Zirpen der Grillen durch das Summen einer Biene oder Fliege untermalt. Am Himmel zieht ein Vogel seine Kreise, lässt sich mit weit ausgebreiteten Flügeln hoch oben vom Wind tragen…sich tragen lassen…vom Leben…im Vertrauen…darum geht es.

Mein innerer Antreiber ist verstummt. Ebenso der Erwartungserfüller und Bedürfnisbefriediger für andere…die beiden waren in den letzten Wochen wieder besonders laut geworden. Das hat zu innerer Enge und innerem Kampf geführt, dem Gefühl, mich aufreiben zu müssen zwischen zwei an mir ziehenden Polen: meinen eigenen Bedürfnissen und denen der anderen. Ich fühle mich innerlich wund. Ausgelaugt. Erschöpft. Wie sehr, das wird mir erst hier in der Ruhe bewusst. Wie schnell vereinnahmt uns doch das Hamsterrad des schnelllebigen Alltags wieder, wie achtsam gilt es zu sein, um hierüber nicht den Kontakt zu sich selbst zu verlieren.

Der gelbe Zitronenfalter flattert um den Zitronenbaum unmittelbar vor mir. Seine Farbe gleicht der, der einzig reifen, gelben Zitrone, die unten am Baum hängt. Zart violett blühender Hibiskus, rote Kletterpflanzen und pinke Rosen. Dahinter Olivenbäume. Weißer Hibiskus im Topf neben einer Minipalme. Das ist mein Ausblick. Eine Schwalbe fliegt durch den Garten an mir vorbei. Leichtigkeit.

Die Antwort auf meine Fragen kam von innen. In der Ruhe. Nicht über den Verstand, durch Nachdenken, Recherchieren, Googlen, Lösungssuche. Sie kam auf dem neuen Weg: Loslassen. Auf der Wiese unter einem Walnussbaum in meditativer Haltung kam der Impuls, der mich hierhin geführt hat.

Dem Impuls folgen – Aktivität, Resonanz, Reaktion… so kommen Dinge in Bewegung, nicht aus dem Verstand heraus, sondern im natürlichen Fluss. Vertrauen.

Die Suche nach dem richtigen Platz. Ein Platz der Ruhe. Ein Platz zum Schreiben. Danach habe ich in den letzten Wochen immer wieder gesucht. Er hat mich gefunden. Hier in Arillas, in dem einfachen Apartment mit kleinem Balkon im Erdgeschoss und Blick in den blühenden Garten. Hier finde ich Ruhe und schreibe. Hier spüre ich Gelassenheit und innere Freiheit.

Es gibt nichts zu tun, außer zu SEIN…wie heilsam! Dieses Gefühl ist wie Balsam für meine wunde Seele und meinen Körper. Alles ist gut.

Es gibt nichts zu tun.

Ich esse Wassermelone. Herrlich süß, reif und saftig. Erfrischend bei der Hitze. Sommer. Genuss. Entschleunigung. Ich bin völlig im Hier und Jetzt. Ganz bei mir. Wie sehr habe ich mich nach dieser Ruhe, diesem Raum gesehnt. Das Gefühl, Zeit zu haben. Wunderbar! Ein heller Zitronenfalte durchfliegt mein Standbild von rechts nach links. Es folgt eine Schwalbe von links nach rechts. Ansonsten keine Bewegung. Kein Lüftchen. Stille.

Wieder stelle ich fest, dass es die kleinen Dinge sind, die glücklich machen. Es braucht nicht viel, nichts Teures, Schickes, Nobles, um sich etwas Gutes zu tun. Genau hier, in dieser einfachen Umgebung, finde ich, was ich so lange gesucht habe!

JETZT! Es ist alles schon da, was wir brauchen.

Bienen umschwirren den Zitronenbaum. Doch der Baum lässt sich nicht beirren. Fest verwurzelt steht er da. Verankert im Boden. Egal, was um ihn herum geschieht, wer an ihm saugt und zerrt, er ist nicht aus seiner Ruhe zu bringen. Ein schönes Bild. Sehr erstrebenswert für mich. Egal, welche Einflüsse um mich herum sind, was saugt und zerrt und aufgeregt um mich herum summt, nichts bringt mich aus meine Mitte und meiner Ruhe. Das wünsche ich mir.

Es wird mir immer besser gelingen, je besser ich für mich sorge. Niemand anders kann das übernehmen. Ich bin für mich selbst verantwortlich. Verantwortlich dafür, zu schauen, dass es mir gut geht. Dass ich regelmässige Pausen bekomme. Ruhe finde. Mir Auszeiten gönne. Mein Leben genieße. Mich gut um mich selbst kümmere. Selbstliebe.

Ich bin frei, mein Leben entsprechend meiner Bedürfnisse zu gestalten. Ich bin frei, gut für mich zu sorgen. Und ich bin es mir wert. Dafür brauche ich nicht viel Geld, sondern vor allem innere Freiheit. Ich bin meinen Lebensumständen nicht ausgeliefert, sondern ich erschaffe sie mir.

Die innere Ruhe begleitet mich weiter durch den Tag. In der Strandbar sitzend beobachte ich die Menschen um mich herum mit fröhlicher, wohlwollender Gelassenheit während die chillige Musik die insgesamt entspannte Szenerie und Abendstimmung unterstreicht.

Wieder wird mir bewusst, wie heilsam es ist, die Dinge und mein Leben aus der Distanz zu beobachten. Hier an diesem Ort erlebe ich diesen Abend so gänzlich anders, als wenn ich ihn zu Hause verbringen würde. Völlig unterschiedliche Wahrnehmung der Welt, ein anderes Erleben, je nachdem, wo man sich befindet und doch in derselben Zeit auf derselben Erde.

Wir haben es selbst in der Hand, wie wir unsere Zeit verbringen und unser Leben erfahren.

Nachrichten von zu Hause erreichen mich und lassen mich seltsam unberührt. Diese Welt ist gerade sehr weit weg und mir wird bewusst, wie unbedeutend plötzlich vieles ist, was mich sonst beschäftigt. Hier bin ich jetzt ganz präsent. Völlig bei mir. Verbunden mit allem. Das Gefühl der Allverbundenheit ist wieder da. Es bringt alles ins natürliche Gleichgewicht. Das, was wirklich zählt, hebt sich vom Unbedeutenden, Unwirklichen ab. Ich spüre den Unterschied zwischen Illusion und Wahrheit. Zwischen dem inszenierten Spiel, das wir unser Leben nennen und dem, was ich hier Essenz oder Allverbundenheit, Wahrheit nennen möchte.

Während ich beobachte, wie sich die Sonne von goldgelb zu orange und schließlich rot verfärbt, bevor sie im Meer versinkt, wird mir bewusst, dass wir alle eine ganz eigene Wahrnehmung der Welt haben. Diese besonderen Empfindungen mit jemandem teilen zu können, ist sehr selten und besonders wertvoll. Mit Menschen, die auf einer ähnlichen Frequenz schwingen, mit denen uns dieses Verständnis der übergeordneten Zusammenhänge, der universellen Ordnung, der Naturgesetze, des Lebens verbindet. Das sind echte, tiefe Begegnungen. Und darum geht es im Leben. Ich empfinde es als Geschenk, immer mehr Einblicke zu erhalten. In einem Lied von Reinhard May heißt es so schön „dem Leben in die Karten schauen“. Ja, für all die Erkenntnisse bin ich sehr dankbar…und für die wertvollen Begegnungen, die mit dazu geführt haben.

Der Abend endet am Strand. Jenseits der letzten Laterne liege ich auf einer der Liegen. Die erleuchtete Strandpromenade liegt in nächtlicher Stille weit genug entfernt, um einen ungestörten Blick in den beeindruckenden Sternenhimmel freizugeben. Unter mir feuchter Sand. Das gleichmäßige Rauschen der Wellen wirkt beruhigend. Wie eine wiederkehrende Reinigung empfinde ich die Brandung. Einatmen. Ausatmen. Annehmen. Loslassen. Der Rhythmus des Lebens. Die Milchstraße ist am Himmel über mir erkennbar. Klar leuchten die Sterne und funkeln verheißungsvoll. Ich sehe eine Sternschnuppe und wünsche mir, das Gefühl dieses Tages, die innere Ruhe und Freiheit in mir zu bewahren.

 

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