Da ist es wieder – das Gekreische am Himmel. Beim Blick aus dem Fenster sah ich sie: die Kraniche, wie sie in V-förmigen Formationen am Himmel unter lautem Getöse Richtung Süden ziehen. Das ist für mich immer das Zeichen für den Wechsel der Jahreszeiten. Der Winter steht vor der Tür. Die Tage werden kürzer, die Bäume bunt, Zeit für Walnüsse und Kürbissuppe, Zeit für Kerzen und gemütliche, heimelige Abende. Zeit der Einkehr und Besinnung.
Die wiederkehrenden Zyklen des Lebens haben für mich etwas Beruhigendes. Das Auf und Ab, der Wandel des Lebens folgt in letzter Konsequenz doch immer einem Rhythmus. Geburt und Tod, Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Es gibt Zeiten der Ruhe und Zeiten des Wachstums, Zeiten der Einkehr und Zeiten der Aktivität, das Leben besteht aus Gegensätzen, aus Polaritäten, die sich doch ergänzen. Ohne Licht keine Dunkelheit…wie Ying und Yang.
Dies wurde mir bei meinem heutigen Waldspaziergang bewusst. Ich dachte darüber nach, wie schön es im Herbst in den bunten Weinbergen ist und dass ich mir bei meinen ausgedehnten Wandertouren im Sommer bereits bestimmte Routen für den Herbst vorgenommen hatte, auf denen ich die Farben der Natur zu dieser Jahreszeit genießen wollte. Jedoch standen an den vergangenen sonnigen Herbsttagen in meinem Leben andere Dinge im Vordergrund. So schön es ist, sich die Auszeiten zum Wandern zu nehmen, ich hätte sie in dieser Phase meines Lebens nicht genießen können. Aber dann ist es eben so! Was bringt es, sich dagegen zu wehren? Dann nutze ich eben kurze Momente in der Natur, eine Stunde im Stadtwald um die Ecke anstatt eine Tagestour durch das Siebengebirge. Dann genieße ich den Anblick der bunten Bäume auf meinen Wegen im Auto und erfreue mich trotzdem daran.
Die Dinge so zu akzeptieren, wie sie gerade sind, ist nicht einfach, vereinfacht jedoch das Leben enorm.
Alles hat seine Zeit und das Leben läuft manchmal anders, als wir es geplant haben. Es gibt Zeiten des Erlebens, des Tuns, der Aktivität und des Schaffens. Und es gibt Zeiten des Verarbeitens, der Ruhe, der Einkehr. Innen und Aussen. Es ist wie es ist und das, was gerade dran ist, ist eben dran. Auch wenn wir es noch so gerne alles kontrollieren und selbst bestimmen würden, unterliegen wir in unserem Leben genau wie jedes Lebewesen auf dieser Erde dem natürlichen Rhythmus und den Zyklen des Lebens. Die Frage ist nur, wie gehen wir damit um? Akzeptieren wir den Fluss der Dinge, wie sie sind, nehmen an, was jetzt, gerade in diesem Augenblick ist? Können wir die Dinge fließen und geschehen lassen und uns so vom Strom des Lebens tragen lassen? Oder kämpfen wir dagegen an? Wollen wir das Leben zwingen, nach unserem Plan zu funktionieren, wollen wir Geschwindigkeit und Rhythmus bestimmen und alles in eine vorgegebene Form pressen? Kein Wunder, dass sich das Leben dann schwer, wie ein immer währender Kampf anfühlt. Wir kämpfen gegen den natürlichen Fluss an, stemmen uns gegen die Strömung anstatt ihre Kraft und Dynamik zu nutzen und uns mit Leichtigkeit tragen zu lassen.